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3.2.2. Reaktionen der Kirche und der Monarchie auf Turniere
Ab 1100 beschleunigte sich die Verbreitung besonders in Nordfrankreich, im Hinblick auf die Turniere das Kernland, die sich dann auch in den europäischen Nachbarreichen und in England zeigte.[39]
1130 versuchte die Kirche zum ersten Mal dem Treiben Einhalt zu gebieten. Papst Innozenz II. verdammte auf dem zweiten Konzil von Clermont diese, wie er es nannte, „verabscheuungswürdigen Belustigungen und Festlichkeiten, in der Sprache des Volkes Turniere genannt, an denen Ritter sich zu versammeln pfleg[t]en, um ihre Stärke und ihre tollkühne Dreistigkeit zur Schau zu stellen.“[40] Um seinem Befehl Ausdruck zu verleihen, schloss er die Drohung an, allen, die bei einem Turnier getötet würden, werde das christliche Begräbnis verweigert. Eine andere Drohung, die oftmals ausgesprochen wurde, war die Belegung mit dem Bann, die Exkommunikation.[41] Dies zeigt zumindest, dass die Turniere schon sowohl eine Beliebtheit und Ausdehnung, als auch eine gewisse Gefährlichkeit erfahren hatten, so dass sich sogar der Papst persönlich dieser Sache annahm. Auch seine Nachfolger versuchten mit wachsendem Eifer und geringerwerdendem Erfolg diese Turniere zu verbieten.[42]
Für die Kirche förderte ein Turnier Anreize für alle sieben Todsünden.[43] Hauptgrund für die Verbote war allerdings, dass die ausschweifende, zügellose Mentalität des Rittertums ermuntert wurde, von der man befürchtete, sie würde die rechte christliche Ordnung bedrohen und zu Mord, Zerstörung und Chaos führen. Laut Meyer und Lessing konnte in diesem Treiben ein Stück überkommenen Heidentums, eine Fortsetzung jahreszeitlich bedingter Riten wie Austreibung des Winters, Sonnenwende u.a. vermutet werden.[44] Auch die bevorstehenden Kreuzzüge, die als Kampf gegen die Ungläubigen gerechtfertigt waren, galten als Grund und Antrieb für die Turnierverbote der Kirche. Die Kämpfer sollten sich weder schon im Vorfeld gegenseitig dezimieren, noch ihre Aufmerksamkeit und Energie von der großen Aufgabe ablenken lassen. Schließlich wurde in den Turnieren eine Steigerung und Festigung der weltlichen Macht gesehen. Der offizielle Grund war allerdings, „daß die Ritter jederzeit plötzlich der Tod ereilen könne, ohne daß man die Sterbesakramente verabreichen könne, und damit seien sie der ewigen Verdammnis ausgeliefert.“[45] Es gab also für die Kirche genügend Gründe, sich gegen die Turniere zu stellen.
Erst Papst Johannes XXII. hob das Verbot 1316 gänzlich auf, nachdem u.a. Papst Innozenz III. schon Konzessionen gemacht hatte, indem er die Turniere nur während der dreijährigen Vorbereitungszeit der Kreuzzüge verboten hatte, und beugte sich damit letztendlich der Realität, „denn die Spielleidenschaft der Fürsten und Ritter, ihre Freude an festlichen Gepränge und der Ehrgeiz, sich im Kampfspiel hervorzutun, waren stärker als alle Verbote.“[46]
Allerdings steckte hinter dieser Tat mehr als das bloße Eingeständnis der Realität. Der Papst fürchtete nämlich, dass bei weiteren Turnierverboten die Ritter nicht mehr an den Kreuzzügen teilnähmen. Bemerkenswert ist, dass fast zweihundert Jahre Agitation der Kirche gegen das Turnierwesen dessen Beliebtheit und Entwicklung keinen Schaden zufügen konnten. Vielleicht liegt der Grund in der Tatsache, dass die Ritter der Meinung waren, dass Turnier und Schlacht nicht so zu trennen sei, wie es die Kirche gerne wollte.
Das Turnier wurde auch als Vorbereitung und Training für die Schlacht gesehen. Dass dabei schon vor der Schlacht Menschen starben oder verletzt wurden, war nach damaligen Selbstverständnis nicht weiter tragisch, denn ein im Turnier verwundeter oder getöteter Ritter, wäre wohl auch für die Schlacht noch nicht qualifiziert genug gewesen. Teilweise wurde sogar die Abnahme der Kreuzzugsbegeisterung mit den Verboten von Turnieren in Verbindung gebracht und behauptet, dass es nun weder Übungsmöglichkeiten noch Anreize für die Ritter gebe. Inwieweit dies zutrifft ist schwer zu entscheiden und müsste wahrscheinlich gründlich erforscht werden.
Nicht nur die Kirche, sondern auch die weltlichen Herrscher, waren den Turnieren nicht immer sehr zugetan. Für die Könige galten die Ritter Spiele als Quellen für Unruhe und Unordnung. Mehr noch sorgten sie für Ansehen und Prestigegewinne der territorialen Machthaber, der Adligen, die mit den Monarchen in einem ständigen Konflikt über Machtbereiche und Einfluss standen. So konnte es dem König nicht gefallen, wenn ein Herzog große, prunkvolle Turniere veranstaltete und sich so in den Vordergrund stellte.[47]
Außerdem kamen bei Turnieren Adlige aus vielen Gegenden zusammen und nicht immer lag die Vermutung von Konspiration, Aufruhr oder Umsturz gegen den König fern.[48] Der König hatte auch ein ähnliches Problem wie die Kirche. Wenn es sich seine Ritter bei Turnieren gut gehen ließen, waren dringende Aufgaben, wie z.B. die Grenzsicherung, nicht sehr beliebt. Deswegen kam es auch von königlicher Seite unzählige Male zu Verboten, die allerdings nicht unbedingten Erfolg versprachen, da diese Politik nicht mit aller Härte durchgeführt wurde – dafür konnte auch der König zu viele Vorteile erringen, denn er konnte die Turniere natürlich für sich nutzen und tat dies auch kräftig. Es galt dann, noch größere und prächtigere Turniere auszurichten, die die der Adligen in den Schatten stellten.[49]
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[39] Erste Berichte über Turniere in Flandern und Würzburg sind aus dem Jahre 1127, in Syrien von 1159. Die Verbreitungswelle wurde auch dadurch vorangetrieben, dass es immer wieder Adlige gab, die, von eigener Begeisterung für Turniere getragen, solche als Mäzene ausrichteten oder finanziell unterstützen.
[40] Zitiert nach Keen 1987, S. 130. Die Lateranischen Konzilien verurteilten die Abhaltung ritterlicher Turniere ebenfalls (1139, 1179, 1193). „Weitere Verbote ... [stammen] aus den Jahren 1227, 1261 und 1287 ... die sich allerdings auf Geistliche bez...[og]en und ihnen nicht nur die aktive Teilnahme am Wettkampf verb..[o]te.[n], sondern auch den Besuch solcher Veranstaltungen“ untersagten (Niedermann 1980, S. 76).
[41] Diese Drohung war allerdings auch für die Kirche eine zweischneidige Angelegenheit, denn jeder Ritter, der exkommuniziert wurde, war natürlich auch für den Kampf um das Heilige Land ausgeschlossen. Krüger fand außerdem heraus, dass die Teilnahme an einem Turnier nicht automatisch die Exkommunikation nach sich zog (vgl. Krüger 1985, S. 405).
[42] Die Kritik der Kirchenoberhäupter übertrug sich auch auf den niederen Klerus. Die Folge waren so manche Predigten von Pfarrern in kleinen und großen Kirchen, die vor Warnungen vor dem Turnierwesen und vor Drohungen nur so strotzen.
[43] Stolz, Hass und Ärger, Bitterkeit und Niedergeschlagenheit, Habgier, Völlerei und Verschwendung von Gütern, Eitelkeit, Wollust (vgl. Keen 1987, S. 147). Bei Keen können auch die Begründungen, die hier nicht aufgeführt sind, die sich aber logisch ergeben, nachgelesen werden.
[44] Vgl. Meyer, Lessing 1976, S. 147.
[45] Endrei 1988, S. 166.
[46] Meyer, Lessing 1976, S. 147.
[47] Edward II. von England hatte in seiner Regierungszeit nicht weniger als 40 Verbote von Ritterturnieren erlassen.
[48] Ein Beispiel hierfür ist die Neuformierung der Opposition gegen den englischen König Johann ohne Land, die sich nach der Besiegelung der Magna Charta aufgelöst hatte. Infolgedessen war sein Sohn Heinrich III. jedes Mal alarmiert, wenn seine Territorialherren zu Turnieren zusammenkamen. Trotzdem konnte er sie nicht verhindern.
[49]König Philipp der Schöne von Frankreich verbot einmal sogar sämtliche Ritterturniere, damit für sein eigenes zu Ehren seines ältesten Sohnes genügend und die besten Ritter des Landes erschienen.
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