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4.1. Turnierveranstaltungen als Schauplätze von Adelsrivalitäten und die Einführung von Turnierregeln als Folge
Es kam öfter vor, dass Ritter Zwistigkeiten mit ins Turnier brachten, um sie dort auszutragen. Dies war dann der Ort, wo persönliche Streitereien und Konflikte entschieden wurden oder aber, wo solche Konflikte erst entstanden. Es konnte dann zu begrenzten Kämpfen zwischen den Beteiligten kommen, die bis zum Tod führten, da das Ende der Selbstbeherrschung schnell erreicht war; oder aber das Turnier konnte gänzlich ausufern, weil viele Adlige zum Schutz mehrere Soldaten mitbrachten. Als Beispiel soll die Beschreibung eines solchen außergewöhnliches Ereignisses dienen:
„Auf dem Turnier zu Chalons 1273 gerieten die Dinge außer Kontrolle, weil der Graf von Chalons Eduard I. von England am Genick gepackt hatte und ihn vom Pferd werfen wollte – unter Bruch der Regeln, wie der König meinte. Das Fußvolk griff ein, und es kam zu Toten und Verwundeten unter den Beteiligten und den Zuschauern. Der Vorfall blieb nicht als Turnier, sondern als die ‚kleine Schlacht von Chalons’ in Erinnerung.“[86]
Ein weiteres Beispiel stammt aus der späteren Zeit der Turniere. In Endrei heißt es:
„Zu gefährlichen Tumulten kam es, wenn die Ritter je eines Landes oder Geschlechts ihre gegenseitigen oder vermeintlichen Kränkungen in einem mörderischen buhurt austrugen. Das geschah zum Beispiel 1403 in Darmstadt, wo 120 fränkische und 144 hessische Ritter ihren Vorsatz, miteinander abzurechnen, bis zum Augenblick des Turnierbeginns geheimgehalten hatten. Als dann die ersten von gegnerischen Lanzen durchbohrten Kämpfer tot aus den Sätteln gestürzt waren, ließen die Schiedsrichter die Planken und Bretterzäune abtragen, um jedem, der den Kampfplatz verlassen wollte, die Flucht zu erleichtern. Bis es gelungen war, die verbissen miteinander Kämpfenden zu trennen, waren 26 Schwerverletzte verblutet.“[87]
Um Blutvergießen einzuschränken und Wut- und Hassausbrüche zu vermeiden, wurden verbindliche Turnierregeln u.a. von den englischen Königen Richard I. und Eduard I. aufgestellt.
Richard I. sorgte für genau abgesteckte Kampfplätze, nach adligem Rang gestaffelte Startgebühren[88] und ein Schiedsrichtergremium. Eduard I. differenzierte in der sogenannten statuta armorum[89] weiter und bestimmte eine begrenzte Zahl des Gefolges von Baronen und Rittern, die Verwendung stumpfer Waffen und verbot Knechten und Fußvolk, die alle auch noch in den Farben ihres Herrn gekleidet sein mussten, um einen besseren Überblick über die Turnierteilnehmer zu gestatten, das Tragen von Angriffswaffen. Außerdem durften zu festlichen Anlässen nur die Adligen mit ihren Leibknappen erscheinen. Laut Rühl habe Eduard die Unzulänglichkeit der französischen Turnierregelungen, er war bei einem Turnier selber verwundet worden, erkannt und nun entsprechend gehandelt.[90]
Obwohl diese Regeln wohl nur für England galten, nahm die Brutalität der Turniere im 13. Jahrhundert allgemein ab und es wurde für den Übergang von der Massenschlacht zur friedlicheren Scheinkriegshandlung gesorgt. Stumpfe Waffen waren ebenso obligatorisch (Waffen ‚à plaisance’ im Gegensatz zu Waffen ‚à outrance’), und man benutzte auch nichtmetallische Waffen aus hartem, gestopftem Leder. Oft wurden auch Schiedsrichter (‚diseurs’) eingesetzt und in Folge dessen der Kampfplatz überschaubar gestaltet. Diese Kampfrichter hatten feste Aufgaben: „Ils sont chargés d’arbitrer les combats, de veiller à leur bon déroulement et de décompter les points.“[91]
Natürlich waren auch im Mittelalter die besten Regeln ohne eine Möglichkeit der Bestrafung bei Zuwiderhandlung nichts wert. Deswegen existierte ein Strafkodex, der u.a. den Verlust von Pferd oder Rüstung nach sich zog und in späteren Zeiten sogar zu körperlicher Züchtigung führen konnte. Es wurde über eine äußerst demütigende Strafe berichtet, die König René I. von Anjou verhängte. Wenn sich ein Ritter nicht dem ritterlichen Kodex gemäß verhielt oder ohne Legitimation an einem Turnier teilnahm, wurde sein Pferd beschlagnahmt und sein Sattel auf die Barriere gelegt, die den Turnierplatz umgab. Der Schuldige wurde dann gezwungen, sich darauf, wie auf ein Steckenpferd, zu setzen und musste zum Hohn und Spott der Zuschauer den Tag auf der Barriere ‚reitend’ verbringen.[92]
1479 beinhaltete das Regelwerk des deutschen Turniers in Würzburg vierzehn Gründe für einen Ausschluss. U.a. wurde Eidbrechern, Denunzianten, Schwindlern, Feiglingen, Tempelschändern und Straßenräubern die Teilnahme am Turnier untersagt. Immer noch in Deutschland, aber zehn Jahre später, in Heilbronn, waren die Übertretungen in zwei Kategorien aufgeteilt. Zweitrangige Fehler, wie z.B. das Treiben von Handel, wurden mit einer einfachen Ohrfeige vor dem Ausschluss vom Turnier bestraft. Dagegen führten die schlimmeren Fehler, wie Vergewaltigung, Banditentum oder Brandstiftung dazu, dass der Ritter geschlagen, und dann auf die Barriere gesetzt wurde. Auch kleinere Sünden, wie die Tatsache, unter seinem Stande zu heiraten, zog für den Schuldigen die Abnahme seines Pferdes nach sich.
Anzeigen konnten und mussten am Abend vor dem Turnier bei der Überprüfung der Ausrüstung vor allen Teilnehmern laut ausgesprochen werden. Der Angeklagte konnte daraufhin fordern, dass die Frage Gegenstand eines Schiedsgerichtes wurde, denn es kam vor, dass die Ritter falsche Anklagen erhoben. Allerdings gingen sie dann das Risiko ein, falls sie entlarvt würden, sich ebenfalls entwürdigenden Strafen auszusetzen.
Eine Entwicklung beim Turnier ist deutlich zu erkennen. Durch Turnierregeln und daneben auch sich steigernde zeremonielle Aktivitäten wurden der Unterschied zum Krieg besonders zum Ende des 13. Jahrhunderts deutlich. Trotzdem blieben die Veranstaltungen eine rohe und gefährliche Angelegenheit (im Gegensatz zu den auch heute wieder populären mittelalterlichen Schaukämpfen wie zum Beispiel die Ritterspiele Kaltenberg). Tödliche Turnierunfälle waren auch mit den neuen Regeln an der Tagesordnung und auch berühmte Männer wurden ihre Opfer.[93] Tod, Verstümmelung und bleibende Schäden waren die Folgen. Doch schlimmer noch war, dass es bei mittelalterlichen Ritterturnieren nicht nur vereinzelt zu einigen Unglücken kam, sondern dass sie auch gehäuft auftraten. Bei einem Turnier in Neuss kamen angeblich über 80 Ritter ums Leben, von denen viele in ihren Rüstungen erstickten.[94]
Trotz der ausgetragenen Adelsrivalitäten und Fehden war das Turnier ein Fortschritt. Trugen die Adligen ihre Fehden im Rahmen von Turnieren aus, waren sie an die geltenden Turnierregeln gebunden. Diese Wichtigkeit verdeutlicht sich vor dem Gesamtzusammenhang von Adelsfehden. Lebten zwei adlige Herrscher in Feindschaft zueinander, dann war das nicht nur ihr Privatproblem. Während sie in den Schranken des Turniers dies zu zweit ausfochten, waren außerhalb alle Familienmitglieder, alle Angehörigen bis zum kleinsten Knecht, und sogar das ganze Herrschaftsgebiet involviert. Außerhalb des Turniers war es keine Fehde zwischen zwei Personen, sondern zwischen zwei Patriarchen mit ihrem ganzen Besitz. „Darum ist ihr Weg stets mit Sengen und Brennen markiert.“[95] Beim Turnier wurde versucht, durch einen Sieg Ehre und Ruhm zu erwerben und damit den Gegner zu demütigen, aber es zielte nicht auf seine völlige Zerstörung ab.
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[86] Keen 1987, S. 133.
[87] Endrei 1988, S. 167.
[88] Ein Fürst zahlte 20 Mark, ein Baron 10, ein Ritter mit Landbesitz 4 und ein Ritter ohne Landbesitz 2 Mark. „Wer nicht vorher bezahlt, darf nicht turnieren und wird verhaftet.“ (Rühl 1985, S. 36.)
[89] Dies waren die ersten verbindlichen, englischen Turnierregeln, die Regeln, Strafsanktionen und eine ausführende eigene Gerichts- und Durchsetzungskommission vorschrieben. Für eine detaillierte Aufstellung aller zwölf Artikel der statuta armorum siehe Rühl 1985, S. 37f. Auf deutschem Gebiet existierte im Spätmittelalter ebenfalls eine Turniergesetzgebung und –gerichtsbarkeit (vgl. Rühl 1985, S. 49f).
[90] Vgl. Rühl 1985, S. 37. Rühl spricht auch davon, dass der englische König, als er ein Turnier veranstaltete und französische Ritter dazu einlud, ihnen kein freies Geleit anbot, sondern dass die ausländischen Ritter schwören mussten, den Frieden zu wahren. Der König hatte also ein wachsames Auge, wenn er mehrere fremde Ritter einlud, und die wiederum mussten sich zu ihrer eigenen Sicherheit im fremden Land benehmen. Das Verhältnis des europäischen Adels untereinander war also auch von Misstrauen geprägt. Außerdem zog es die Franzosen anfangs weniger nach England als umgekehrt.
[91] Pierron 1997, S. 68. Zu dem Thema der Punkteverteilung und der Leistungsbewertung siehe auch Kapitel 3.4.
[92] Vgl. Pierron 1997, S. 67.
[93] So wurden z.B. der Earl von Essex, Goffroy de Mandeville, 1216 bei einem Turnier zu Tode getrampelt, Florence, der Graf von Holland, getötet und Robert von Clermont, der Bruder des französischen Königs Philipp III., so schwer am Kopf verletzt, dass er sein Leben lang ein Pflegefall blieb.
[94] Dies scheint plausibel, denn da bei den Rüstungen die verschiedenen Teile so verbunden waren, damit sie sich während des Kampfes nicht aus Versehen lösten, konnte es leicht passieren, dass sich nicht nur ein Hitzestau bildete, sondern dass die Ritter nach Verletzungen ihr Erbrochenes aspirierten und so in der Rüstung ums Leben kamen.
[95] Fleckenstein 1985, S. 234.
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